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Analyse

We just can’t get enough: The Old Firm

Es ist so um 21:30 als ich vom Klo komme. Der dicke Typ neben meinem Barhocker lehnt sich mittlerweile so weit rüber, dass ich mich richtig auf meinen Platz quetschen muss. Angus hat zwei neue Bier bestellt, also ist mir der Quetscher ziemlich schnell egal. Celtic Fan Angus erzählt weiter von Trainspotting, diesem Kultfilm von dem bald ein neuer Teil kommt, oder schon kam. Weiß er nicht, und ich auch nicht. Ich glaube auch, er wiederholt sich die ganze Zeit, ist mir aber seit 2 Bier vollkommen Latte. Plötzlich geht es wieder los: Trommeln, singen, tanzen, springen, brüllen, rufen: Düb düb Düb, I just can‘t get enough. Sonntag ist Old Firm. I just can‘t enough. Der Inhalt der Gläser fliegt durch den Pub. I just can’t enough. I just can’t enough. „Hey Angus, hol mal noch zwei Bier. Ich geh pinkeln.“

Alles begann mit einem Unentschieden

Sonntag ist es endlich wieder soweit: Celtic Glasgow gegen die Glasgow Rangers, das Old Firm Derby, die Mutter aller Derbys. Von diesen Müttern gibt es mittlerweile angeblich viele: Ob das Revierderby Dortmund gegen Schalke, el clasico Barca gegen Madrid oder das New Firm Derby zwischen Bröndby und Kopenhagen. Für die Fans sind die Derbys die Spiele der Saison und keines ist wichtiger oder origineller oder geiler oder älter oder größer. Aber Fakt ist: Das Old Firm ist das meistgespielte Derby der Fußballwelt. Am 21.03.1891 standen sich die Glasgow Rangers und Celtic Glasgow das erste Mal gegenüber. Im Celtic Park, der damals wohl noch etwas anders aussah als heute, trennten sich die beiden schottischen Vorzeigevereine mit 2:2. Das ist wohl das beste Ergebnis, um eine solche Rivalität zu starten. Insgesamt wurden mittlerweile 404!!!1einself! Partien gespielt. Aktuell führen die Rangers mit 159 vor 148 Celtic Siegen bei 97 Unentschieden.

Zum Vergleich: El Clasico zwischen Barca und Madrid wurde erst lächerliche 265-mal gespielt. Davon auch noch 32 Freundschaftsspiele. Das Revierderby zwischen Dortmund und Schalke fand sogar nur 172-mal (davon 22 Freundschaftsspiele) statt. Eine ähnliche Quote wie die Glasgower Clubs haben wohl nur die Woolpacker Wanderes und Garrison Gunners, die auf einer Insel eine eigene Liga bilden und jeden Sonntag um halb 11 gegeneinander antreten.

Fast wie die Spielanzahl der anderen Derbys liest sich die Titelaufteilung der schottischen Topteams. Die Rangers waren bis heute unglaubliche 54-mal schottischer Meister, soviel wie kein anderes Profiteam auf der Welt, dagegen stehen 47 Meisterschaften von Celtic; und ihr dachtet Bayern wäre oft Meister. Die Rangers haben übrigens noch 36 Pokal- und 16 Ligapokalsiege und die Rangers stehen in den beiden Wettbewerben bei 33 und 27 Siegen. Ihre Pokalräume sind wohl eher Pokalhallen.

Der Name „the Old Firm“ rührt von einem Kommentar, in dem die Rivalität der beiden als eine zwischen „two old, firm friends“ (zwei alte, dauerhafte Freunde) beschrieben wird und das sind sie wohl auch. Bei aller Rivalität gilt nämlich sicherlich eins: Ohne einander ist auch Scheiße. Gefühlt haben das alle Beteiligten und Fans, und das sind eine Menge, als die Rangers 2012 wegen ihrer finanziellen Notlage in die vierte schottische Liga absteigen mussten. Das Old Firm wurde auf unbestimmte Zeit ausgesetzt und Gerüchten zufolge stiegen die Googleanfragen für Einfrieren, Zeitreisen und freiwilliges künstliches Koma zu jener Zeit im gesamten schottischen Hochland rapide an.

Aber eine Art Freindschaft bestand nicht immer. Beide Vereine verbindet eine weit über den Fußball herausragende Rivalität: Ein Konfessionskampf. Während sich Spieler und Anhänger der Bhoys (Celtic) traditionell aus irischstämmigen Katholiken zusammenfinden, sind die meisten Rangers protestantische Unionisten. Ein Disput, der ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl der Anhänger bei einem so klarem Feindbild erschuf, dass an Verständnis nicht zu denken war. Heute ist die Lage sicherlich entspannter.

Neil McGarvey, der Betreiber der Celtic-Fanseite Kerrydale Street sagt zu der Entwicklung, dass in seiner Jugend, in seiner katholischen Schule nicht ein Rangers-Fan war. Heute, in der katholischen Klasse seiner Kinder gäbe es schon den einen oder anderen.

We’ve been there. We’ve seen it all

Das Old Firm hat in seinen 404 Partien natürlich auch schon alles gesehen. Alles! Egal ob die 5:1 Niederlage 2000/01 der Celtics, nachdem sie nur drei Monate vorher 6:2 gewonnen hatten oder das Finale der Meisterschaft der Saison 98/99, als sich die Rangers im Celtic Park den Meisterpokal vom FC zurückholten. Oder der Sieg der Grün-Weißen im Finale des Ligapokals 1969 vor 132.870 Zuschauern, was die erste Pokalniederlage für die Rangers seit 1929 war. Ein anderes Ligapokalfinale entschieden die Celtic Jungs sogar mit 7:1 für sich, obwohl es in der ersten Halbzeit ein müder Kick war und Celtic „nur“ 2:0 zur Pause führte. Sie haben einfach alles gesehen und es gab sogar einen Toten! Am 5. September 1931 stieß der Celtic Torhüter John Thomson unglücklich mit Sam English, der für die Rangers auflief, zusammen und erlitt einen Schädelbasis-Bruch, an dem er noch am selben Tag verstarb.

Aber genug in der Erinnerung gelebt. Wie sind die Voraussetzungen für Sonntag? Muss Angus sich um seine Celtic Jungs Sorgen machen? Die Antwort ist einfach: Nein!

Rangers noch nicht zurück. Talent auf beiden Seiten.

Denn, zwar sind die Rangers seit dieser Saison nun endlich wieder zurück in der ersten schottischen Liga, aber auf Augenhöhe mit Celtic sind sie noch lange nicht. Celtic dominiert den schottische Fußball nach Belieben und führt mit 79 Punkten die Tabelle an. Erst 27!!!!1einself1! Punkte später kommt der Aberdeen FC und die Rangers sind nur Dritter mit 46 Punkten. Einer erneuten Meisterschaft Celtics steh also nichts im Wege. Auch weil Grün-Weiß im Sturm eine echte Waffe hat. Sie ist erst 20 Jahre jung und hört auf den Namen Moussa Dembele.

Dembele hat nicht nur in der gesamten Saison bereits 32 Treffer erzielt, er hat auch in den letzten 3 Old Firms (Alle diese Saison, in Schottland spielen alle Mannschaften mindestens 3-mal gegeneinander, da es nur 12 Teams in der Liga gibt und zusätzlich gibt es 2 Pokalwettbewerbe.) 5 Tore geschossen. Dabei ein Dreierpack in seinem ersten Spiel gegen die Rangers. Dembele ist ein physisch starker, aber dabei sehr beweglicher Stürmer, der sich in der Gefahrenzone gut zu positionieren weiß und handlungsschnell abschließen kann.

Nicht grundlos schwirren die ersten Summen von bis zu 40 Millionen Pfund durch die schottische Presse. Dass Dembele dauerhaft bei Celtic bleibt ist daher eher unwahrscheinlich. Vermutlich geht es schon diesen Sommer eine Liga südlich zu einem englischen Topclub.

Auf der Rangers Seite sieht es in der Talentabteilung dagegen eher mau aus. Erwähnenswert ist der 20 Jahre alte Emerson Hyndman, der im Winter vom AFC Bournmouth ausgeliehen wurde. Seitdem spielte er jedes Match und verlieh dem Rangers Mittelfeld deutliche Stabilität. Allerdings kehrt er im Sommer wohl zu seinem Heimatklub zurück, sodass sie im Glasgower Südwesten vermutlich nicht lange Freude an ihm haben werden.

Ähnlich verhält es sich mit Jon Toral. Der offensive Mittelfeldspieler ist ebenfalls bis zum Sommer ausgeliehen. Er kommt vom noch Wegner-Klub Arsenal. Der junge Spanier hat gute Ansätze in allen offensive Künsten wie seinem Schuss oder dem Dribbling, verstärkt die Rangers deutlich und wird vermutlich wieder gehen. Diese Strategie wird dem Klub wohl eher nicht dahin zurückbringen, wo sie einst waren. Um wirklich wieder gegen das zurzeit übermächtige Celtic bestehen zu können, muss mehr auf die eigene Jugend vertraut und gesetzt werden.

Angus ist zuversichtlich

An jenem Abend mit Angus im the Glazen Head im Herzen Glasgows wusste jeder, die Celtics würden gewinnen und so kam es auch. Einen Tag später zerlegte der Celtic FC seinen Dauerrivalen mit 5:1 und Dembele erzielte seinen Hattrick. Auch diesen Sonntag wird es wohl eher gut für Celtic ausgehen, aber in diesem Derby kann man nie wissen. Angus tippt nüchtern 3:0. Vielleicht ja mit Dembele Toren. Wie es auch ausgeht, die Hauptsache ist: Es ist wieder Old Firm und Ich und Angus und alle die den Fußball lieben sind sich sicher: We just can’t get enough!

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Der große (auf die Körpergröße bezogen) Tobias Haubert wurde am östlichen Rande des Ruhrgebietes geboren. Nach einer normalen Jugend und einem normalen Studium der Literatur und Germanistik ist er ein normaler Typ mit überragendem Bart.

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