Nachdem TK-Redakteur Lukas mich vor Kurzem süffisant in seinem “Talent of the Year”-Artikel zu Gianluigi Donnarumma erwähnt hat, lasse ich es mir nun nicht nehmen, ihn hier zu zitieren: “Vincent Thill ist eigentlich ein Muss!” Ja, ist er. Thill, Jahrgang 2000. Wenn eine Kombination aus Alter und Profierfahrung als ein ausschlaggebendes Kriterium für diese Rubrik genommen wird, setzt Vincent Thill im Vergleich zu Donnarumma noch einen drauf: mit 16 Jahren (!) kommt der Luxemburger bereits auf 7 A-Länderspiele für sein Heimatland. Wir erläutern euch in diesem Artikel, warum Vincent Thill für uns das Talent des Jahres in der französischen Ligue 1 ist und warum der große FC Bayern ihn bereits auf dem Zettel hatte.
Talentschmiede Ligue 1 – die Qual der Wahl fällt auf Thill
Lasset mich, liebe TK Jünger doch bitte etwas weiter ausholen. Hätten wir uns noch vor wenigen Jahren unterhalten, hätte ich Spieler wie Riyad Mahrez oder Ousmane Dembélé hier gut und gerne als Talent des Jahres anpreisen können. Auch in diesem Jahr (damit ist die Saison 2016/17 gemeint), ist die Liste der Kandidaten lang: Corentin Tolisso, Thomas Lemar, Maxwell Cornet, Lucas Tousart, Vincent Koziello oder auch Presnel Kimpembe sind alle mit einem außerordentlichen Talent gesegnet und werden dem leidenschaftlichen Fußballfan zukünftig noch viel Freude bereiten. Warum nun also Thill? Zum einen, ja, ich wiederhole mich, aufgrund seines Alters. Aber mal ehrlich: der Kerl ist effing SECHZEHN Jahre alt. Zum anderen natürlich, weil er für sein Alter über herausragende fußballerische Qualitäten verfügt. Es kommt jedoch noch ein weiterer Faktor hinzu, der für mich den Ausschlag gegeben hat. Für sein Alter macht Vincent Thill, im Vergleich zu anderen europäischen Großtalenten, karrieretechnisch momentan alles richtig.
Aber der Reihe nach: im Jahre 1 nach der Jahrtausendwende erblickt Vincent Thill in dem Stadtstaat Luxemburg das Licht der Welt. Das beschauliche Land, berühmt für seine Banken, den derzeitigen EU-Kommissar Jean-Claude Juncker und Fußballlegenden wie den Ex-Gladbacher Kapitän Jeff Strasser, wird für ihn im Angesicht seiner fußballerischen Qualitäten bereits im Jugendalter schnell zu klein. Im Juli 2015 wechselt der damals 15-jährige in die U17 des FC Metz, wird bereits ein halbes Jahr später in die U19 befördert und schließlich zu Beginn dieser Saison mit einem Profivertrag ausgestattet.
Als Thill im Mai 2016 seinen Profivertrag beim FC Metz unterschreibt, klopft ein ganz großer der europäischen Fußballbühne an seine Tür: der FC Bayern möchte den schmächtigen Techniker an die Isar locken. Thill bleibt cool, schlägt das Angebot der Münchener aus und unterschreibt in Metz. Respekt. Der Youngster und sein Umfeld sind angesichts dieses Interesses ruhig geblieben und planen den behutsamen Aufbau Thills in der Ligue 1. Und eben deshalb ist er für mich schon jetzt ein ganz großer: in Zeiten, in denen die Finanzspirale der Klubs überhitzt, jungen Spielern bereits durch horrende Summen der Kopf verdreht wird, setzen Thill und seine Berater einen Karriereschritt vor den anderen. Vielleicht auch, weil Martin Ödegaard, den es bereits in ähnlich jungen Jahren zu Real Madrid gezogen hat, mittlerweile als warnendes Beispiel gilt. Mit seinem bisher einzigen Ligue 1 Spiel, in dem er in der 82. Minute gegen Girondis Bordeaux eingewechselt wurde, ist Thill der bisher einzige Spieler aus dem 2000er Jahrgang, der in Europas Top 5 Ligen eingesetzt wurde. Bereits fester Bestandteil der luxemburgischen Nationalmannschaft, ist er durch sein Tor gegen Nigeria der jüngste Torschütze im internationalen Fußball. Ja, das muss man erstmal sacken lassen.
Thill ist am Ball ein Chef in den Kinderschuhen
Thill überzeugt auf dem Platz vor allem durch seine beschlagene Technik auf engstem Raum, die es ihm ermöglicht, mit Tempo Räume im offensiven Mittelfeld zu reißen und mehrere Gegner stehen zu lassen. Alles in allem verhält er sich auf dem Rasen jedoch schon wie ein ganz großer: Ihn charakterisiert nicht nur ein großer Spielwitz, sondern auf Einsatzwillen und Präsenz, die sein Alter fast vergessen lassen. Selbst Kleinigkeiten, wie etwa den Gegner in Situationen ohne Ball mit dem Arm auf Abstand zu halten, um sich in Antizipation auf den kommenden Pass Raum zu verschaffen, beherrscht der Teenager bereits gekonnt. Er dirigiert, verfügt über ein ausgeklügeltes Kurzpassspiel, setzt Mitspieler mit langen Bällen in Szene. Kein Wunder also, dass er für Luxemburg mit der Rückennummer 10 aufläuft. Bevor ich es vergesse: Standards schießen kann der Gute natürlich auch. Ihr merkt: Thill bringt alle Qualitäten mit, um in einigen Jahren (und selbst dann ist er noch außergewöhnlich jung) die Geschicke im offensiven Mittelfeld auf ganz großer Bühne zu lenken.
Es ist jedoch auch zu erwähnen, dass Thill körperlich noch einiges zulegen muss, um gegen die Großen des Sports zu bestehen – aber auch das ist in seinem Alter völlig selbstverständlich. An seinem Abschluss kann er genauso arbeiten wie an dem Gespür für das richtige Abspielverhalten, manchmal wirkt er insgesamt noch zu verliebt in die eigenen Aktionen – puh, das ist wirklich Meckern auf hohem Niveau.
Thill the ceiling can’t hold us
Ich weiß, der Witz ist flach, musste aber sein: in Anlehnung an Macklemore stehen Vincent Thill wirklich alle Türen hoffen, um, im wahrsten Sinne des Wortes, durch die Decke zu gehen. Geheimrezept wird dafür sicher sein, ihn langsam und behutsam aufzubauen. Hierfür scheint der FC Metz in seiner derzeitigen Verfassung der ideale Verein zu sein. Thill wird in dieser Saison an der Seite von Ismaila Sarr (auch er muss als Talent hier Erwähnung finden) sicherlich noch den ein oder anderen Auftritt im weinroten Trikot absolvieren. Überrascht er dabei ähnlich wie in seinen bisherigen Auftritten, winken ihm auf lange Sicht gute Einsatzzeiten unter Trainer Philippe Hinschberger in Metz. Zu gegebener Zeit werden Thill und sein Umfeld aber den nächsten Karriereschritt wagen und zu einem europäischen Top-Klub wechseln – ob es dabei direkt ein Kaliber der Marke FC Bayern sein muss, bleibt fraglich. Ein Zwischenschritt bei einem etablierten, aber ein Regal unter den Münchenern angesiedeltem Verein bringt zum einen mehr Einsatzchancen, zum anderen die Möglichkeit, sich dem Alter angemessen zu entwickeln. Manchmal ist Fußball eben mehr als der schnelle Aufstieg zum Olymp, es geht immer noch um Menschen. Wie dem auch sei, wir werden in Zukunft noch einiges von unserem Talent des Jahres aus der Ligue 1 hören.
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