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Analyse

Maximilian Eggestein: Im Schatten des Erfolges

Ein Blick auf die Tabelle verwundert momentan noch mehr als ohnehin schon in dieser Saison. Überraschungsmannschaften wie Frankfurt stürzen zwar langsam, aber sicher wieder ab, während enttäuschende Teams beweisen, dass sie die Klasse halten können. Dazu gehört unter anderem der SV Werder Bremen, der erschreckende 19 Punkte aus den letzten sieben Spielen holte. Hat sich Thomas Schaaf etwa als Alexander Nouri verkleidet?

Wohl eher nicht. Nouris Erfolgsformel ist simpel und effektiv. Defensive stabilisieren, Mittelfeldpersonal etablieren und vorne Effizienz walten lassen. Seine Umstellungen fruchten zurzeit und sorgen dafür, dass einige Spieler mehr denn je glänzen können. Felix Wiedwald zeigt seinen Kritikern, dass er tatsächlich zu Null spielen kann. Thomas Delaney übertrifft selbst unsere kühnsten Erwartungen aus dem vergangenen Winter. Und Max Kruse macht endlich wieder auf dem Spielfeld, statt in WhatsApp-Chats auf sich aufmerksam. Doch in diesen letzten sieben Spielen konnte auch ein Bremer Eigengewächs mächtig Werbung für sich machen. Maximilian Eggestein steht kurz vor dem endgültigen Durchbruch und untermauert seine Rolle in den Zukunftsplanungen von Frank Baumann. Wir stellen euch den Mittelfeldstrategen heute in unserer Talentkritik vor.

Mit langem Anlauf in die Bundesliga-Elf

Seit seinem 14. Lebensjahr spielt Maximilian Eggestein bei Werder. Der in Hannover geborene Spieler genoss seine ersten fußballerischen Gehversuche beim TuS Havelse, ehe die Bremer ihn in ihre B-Jugend integrierten. Eggestein war von Anfang an ein hochveranlagter Spieler mit besten Aussichten auf eine Profi-Karriere. Folgerichtig verbrachte er nur ein Jahr in der U19 des deutschen Meisters von 2004 und ist seit der Saison 2014/15 entweder im Kader der U23 oder der Profis zu finden. Unter anderem führte er die Zweitvertretung als unumstrittener Stammspieler zum Aufstieg in die 3. Liga und durfte im November 2014 sein Bundesliga-Debüt gegen den SC Paderborn feiern. Obwohl er in der Jugend als Stürmer ausgebildet worden ist, findet er sich nun in defensiveren Rollen wieder. Bei der U23 noch vermehrt im offensiven Mittelfeld eingesetzt, ist er inzwischen im zentralen, defensiven Mittelfeld zu Hause.

Seit seiner Bundesligapremiere gehört er mal mehr und mal weniger zum Teil des Kaders, denn der sportliche Schlingerkurs hatte auch Auswirkungen auf die Karriere des Mittelfeldspielers. In der letzten Saison war er noch regelmäßig eine Kaderalternative für Trainer Viktor Skripnik, der ihn sogar im letzten und entscheidenden Saisonspiel gegen Eintracht Frankfurt von Beginn an aufbot. Erster Startelf-Einsatz im entscheidenden Do-or-Die-Spiel? Hut ab. Mit dem Sieg gegen Frankfurt und dem gleichbedeutenden Klassenerhalt waren große Erwartungen an die neue Saison verbunden. Es folgte eine Degradierung, die lange an Eggesteins Nervenkostüm zehrte. Bei der 0:6-Abreibung gegen die Bayern am ersten Spieltag wurde er noch eingewechselt, sollte danach noch verliehen werden, um Spielpraxis zu sammeln. Als eine Leihe misslang und der Kader gleichzeitig verschlankt werden sollte, war das junge Talent einer der Leidtragenden. Statt in der Bundesliga weiter auf sich aufmerksam machen zu können, war er in der Hinrunde nur noch Teil der U23, mit wenig Aussicht auf Besserung.

Nouri dreht an den richtigen Schrauben

Doch in der Wintervorbereitung empfahl sich der 20-Jährige wieder für die Profis und wird, ausgerechnet, zum Rückrunden-Auftakt gegen die Münchener wieder eingesetzt. Seitdem ist er aus dem Kader nicht mehr wegzudenken. Trainer Alexander Nouri, der in der Hinrunde und zu Beginn der Rückrunde bereits abgeschrieben schien, hat mit taktischen Änderungen dafür gesorgt, dass der Erfolg zurückkehrt und damit auch Platz für Eggestein geschaffen. Mit einem 5-3-2 schaffen es die Bremer endlich, ihre Defensive zu entlasten und Zugriff auf den Gegner im Mittelfeld zu erhalten. Für Eggestein ist der Platz des defensivsten Sechsers hier vorgesehen, den er bei seinen Einsätzen stets bekleidet. Gemeinsam mit Delaney und Grillitsch oder Junuzovic spielen sie eine mannorientierte Verteidigung in der Mitte des Feldes und sorgen für deutlich mehr Stabilität. Ein Beweis? In den ersten neun Spielen der Rückrunde kassierte man lediglich neun Gegentreffer, statt 24 über den gleichen Zeitraum in der Hinrunde. Das ist auch Verdienst der defensiveren Grundausrichtung.

Die Vorzüge des Bremer Talents passen bestens in die neue Philosophie der Werderaner. Eggestein überzeugt durch eine hohe Präsenz im Mittelfeld und er verschiebt gewissenhaft gegen den Ball. Hinzu kommen seine guten Fähigkeiten am Ball. Dem Mittelfeldspieler kommt in dieser Hinsicht seine offensive Fußball-Sozialisierung zugute. Er ist jederzeit in der Lage, punktgenaue Zuspiele in die Spitze anzubringen und verfügt über einen guten Torabschluss. Abgerundet wird das Fähigkeiten-Paket durch seine Ruhe am Ball, sowie eine außergewöhnliche Klarheit in seinen Aktionen, die von allen Seiten betont wird. Heraus kommt ein maßgeschneiderter defensiver Mittelfeldspieler, der die Fäden aus dem Hintergrund zieht und durch gelegentliche Vorstöße für Gefahr sorgen kann. Ein Spieler, der wie gemacht ist für Alexander Nouri und Bremen Anno 2017.

Die Zeichen sind klar

Seine sportlichen Defizite sind auch schnell zusammengefasst. Da wäre zum einen seine fehlende Grundschnelligkeit, die ihn wenig athletisch erscheinen lässt. Auch seine Passquote leidet noch zu sehr. Aktuell bringt er nur 75% seiner Anspiele an. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Eggesteins Neigung zu riskanten Schnittstellenpässen ist fehleranfällig. Gerade seine langen Bälle sind überdurchschnittlich oft zu ungenau. Doch diese Schwächen können gut ausgeglichen werden. Die Ballzirkulation ist im defensiv-orientierten System Nouris weniger im Fokus, sodass längere Ballstafetten die Ausnahme sind. Dazu kommt, dass der Spielaufbau in erster Linie über Delaney läuft bzw. auf abkippende Stürmer wie Max Kruse übertragen wird. Eggestein spielt daher nur zweite Geige im Aufbauspiel und kann sich auf seine Spielübersicht verlassen, die ihn zumeist in gute Positionen auf dem Feld bringt.

Maximilian Eggestein steht kurz davor, seinen Weg in die (erweiterte) Stammelf abzuschließen. Das liegt zum einen an besagtem, sportlichem Höhenflug und zum anderen an der personellen Konstellation im kommenden Sommer. Seine direkten Konkurrenten auf der Position im zentralen Mittelfeld spielen entweder mit dem Gedanken, die Karriere zu beenden (Clemens Fritz), haben anderweitig Verträge abgeschlossen (Florian Grillitsch) oder sind von Verletzungen gebeutelt (Philipp Bargfrede). Glaubt man den vereinsnahen Quellen, ist Frank Baumann nicht ohne Grund daran interessiert, den 2018 auslaufenden Vertrag Eggesteins zu verlängern und ihn langfristig zu binden.

Werder-Weg

Dieser soll den sog. Werder-Weg konsequent weitergehen und fester Bestandteil der Bremer werden. Darauf deuten Interviews mit ihm hin und darauf verweisen Verantwortliche der Werderaner immer häufiger. Es ist nicht undenkbar, dass Maximilian gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Johannes ein zukunftsfähiges Gesicht der Norddeutschen bilden kann. Der junge Eggestein, an dem halb Europa Interesse zeigt, scheint mit noch mehr Talent gesegnet worden zu sein, wird sich aber weiter gedulden müssen. Denn wenn ein Eggestein sich in den kommenden Wochen und Monaten etablieren wird, dann wird es wohl Maximilian sein. Der Bremer Aufschwung wird weiterhin nur indirekt mit seinem Namen verbunden werden, doch der sportliche Höhenflug und die weiter steigende Wertschätzung des Eigengewächses sind nicht weiter zu trennen. Der Bundesliga-Endspurt wird zeigen, wieviel wir noch von Eggestein in der Zukunft erwarten dürfen.

 

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