
Tausende Talente spielen in deutschen Nachwuchsleistungszentren Fußball. Doch nur ein Bruchteil schafft am Ende den Sprung in den Profifußball oder sogar in die 1.Bundesliga. Was machen denjenigen, die vielleicht nicht das nötige Glück hatten und denen die Erfüllung des großen Traums verwährt blieb?
Zum Beispiel ins Ausland gehen und dann studieren. So wie Leon Packheiser. Er hat fast seine komplette Jugend beim Hamburger Sportverein verbracht. Dann ging er nach Südamerika um Abstand vom Fußball zu gewinnen. Heute studiert der 22-Jährige Sportmanagement und Kommunikation an der Deutschen Sporthochschule Köln.
Gleich mal zu Beginn. Wie gefällt dir das Leben als Student?
Das Leben als Student ist sehr geil. Wenn wir über Fußball reden ist das natürlich etwas ganz Anderes. Mein Leben war viel voller. Schule und dann direkt weiter zum Training und jetzt hat man 3 oder 4 Veranstaltungen und ist viel selbstständiger unterwegs. An der Sporthochschule gefällt‘s mir besonders. Man hat wirklich nur Sportstudenten. Alle haben die gleichen Interessen. Ja, auf jeden Fall sehr geil.
Du hast alle Jugendmannschaften des Hamburger SV durchlaufen. Bist du denn auch HSV-Fan?
Gut genau genommen habe ich nicht alle Jugendmannschaften des HSV durchlaufen. Denn ich war bevor ich dorthin gewechselt bin bei St.Pauli. Aber ja, dadurch dass ich solange jetzt beim HSV war. Ich habe auch Sympathien für St.Pauli, aber ich bin schon HSV-Anhänger. Also das Herz schlägt, wenn sie in der Relegation spielen.
Dann hast du dieses Jahr ja nochmal Glück gehabt. Gleich dazu noch eine Frage, wie beurteilst du die sportliche Lage dort?
Ja, die sportliche Lage ist nicht gut. Waren schon Mal bessere Zeiten. Ich kann jetzt aber nicht sagen woran es liegt.
„Man wird durch den Leistungssport so erzogen“
Wenn man Jahr für Jahr bei so einem großen Verein, wie dem Hamburger Sportverein verbringt, steigen dann die Erwartungen an einen selbst doch irgendwann Profifußball zu spielen?
Ja auf jeden Fall. Man wird durch den Leistungssport auf jeden Fall so erzogen. Man merkt dann irgendwann, wie es immer mehr Richtung Konkurrenzkampf geht und dass man dann immer der bessere sein will und irgendwann natürlich auch Fußballprofi sein möchte. Aber natürlich ist es auch jedem selber überlassen, ob man Leistungssport machen will oder nicht. Zwingt einen ja niemand dazu. Aber bei mir war‘s auf jeden Fall so, dass es mein größter Traum war Fußballprofi zu werden und deshalb habe ich mir auch nie vorstellen können, den Verein zu verlassen oder mit dem Leistungssport aufzuhören.
Also gab es für dich letztendlich auch gar keine andere Option als Fußballprofi zu werden?
Ne, auf keinen Fall. Also bis zum Abitur habe ich mir wirklich keine Gedanken gemacht über Jobs oder meine Zukunft, außer dass ich im Fußball bleibe.
Dich hat es damals aus perspektivischen Gründen im letzten A-Jugend-Jahr zu Rot-Weiß Erfurt gezogen. Geschafft hast du denn Durchbruch dort aber nicht. Gab es da einen bestimmten Punkt an dem du gemerkt hast, dass das nichts mehr wird, zumindest nicht in Erfurt?
Es gab tatsächlich einen Punkt. Nicht, dass ich jetzt sage das wird mit der Profikarriere nichts mehr, aber dass es auf jeden Fall bei Erfurt nicht so weitergeht. Es gab einen Zeitpunkt, da hatten wir eine Auswärtsfahrt. Da sind wir eine Woche auswärts in Hotels geblieben. Das war eine englische Woche. Da haben wir zuerst in Münster gespielt und dann in Osnabrück, was ziemlich dicht aneinander ist. Der eine Rechtsverteidiger war schon verletzt und in Münster hat sich dann der andere Rechtsverteidiger noch eine rote Karte abgeholt. Eigentlich hätte ich in Osnabrück spielen sollen, aber dort sind wir dann mit Dreierkette aufgelaufen und im nächsten Spiel in Wiesbaden hat dann ein Rechtsverteidiger hinten rechts gespielt und dann hatte ich mein Standing schon so mitbekommen. Da kam auf jeden Fall ein Knick bei mir rein im Selbstvertrauen. Das war dann so der Moment ab dem es eher bergab ging. Vor allem stand ich sehr häufig im Kader zu dem Zeitpunkt, das war relativ am Anfang der Saison, und da habe ich quasi nur auf meinen Einsatz gewartet und hab‘s mir halt selbst zugetraut. Gegen Ende der Saison, als ich wirklich keine Einsätze bekommen hab, da war dann auch das Selbstvertrauen so weit runter, dass ich mir selber nicht sagen würde, dass ich es verdient hätte zu spielen. Und dann kam auch das Gefühl, hier muss ich weg.
Du bist dann in der nächsten Saison nach Lüneburg in die Regionalliga. Nach einem Jahr dort hast dich entschieden die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen und zu studieren. Ist dir die Entscheidung sehr schwer gefallen und warum hast du sie dann letztendlich getroffen?
Die ist mir erst mal gar nicht schwer gefallen. Weil ich auf jeden Fall die Dinge tun wollte, die mir versagt geblieben sind, durch die Zeit als Fußballer. Ich war in Südamerika, vier Monate. Kolumbien, Ecuador, Peru, Bolivien, Brasilien. Ja und darauf habe ich mich extrem gefreut. Nach der Saison war glaube ich eine Woche noch dazwischen und dann bin ich direkt am 1.6. los. Deswegen war das ganz gut, um die fußballfreie Zeit zu überbrücken. Und als ich dann in Südamerika war, fingen die andern alle wieder an mit der Vorbereitung und da hatte ich dann halt nicht wirklich Probleme damit klar zu kommen, weil ich eben in Südamerika war und weil das eine mega geile Zeit war. Als ich wieder kam habe ich direkt angefangen zu studieren und das Spoho-Leben und das Studentenleben kenngelernt. Bis jetzt bereu ich‘s gar nicht und die Zeit ohne Fußball … da komm ich auf jeden Fall klar mit.
Du hast in Kolumbien und Brasilien mit Kindern an Schulen und Favelas Fußball gespielt. Inwiefern hat das deine Einstellung zum Leben und zum Fußball verändert?
Also am liebsten würde ich auf solche Fragen vorbereitet sein, weil am Ende denk ich mir immer: Das hätte ich noch sagen sollen und das auch. Die Zeit war nämlich wirklich sehr prägend. Also in Kolumbien war‘s wirklich so, dass ich mit Kindern aus der Schule gespielt habe, das war eine größere Schule aus einem ärmeren Viertel. In den Favelas in Rio war es so, dass sich die Kinder nicht einmal die Schule leisten konnten und die quasi, ja es wurde Schule genannt aber es wurde nicht unterrichtet, der Lehrer hat die quasi nur fürs Leben vorbereitet und hat ihnen Tugenden und Benimmregeln beigebracht und dann wurden sie belohnt mit Fußballspielen und das war alles für die. Ja die Zeit mit der Hilfsorganisation in Kolumbien und Brasilien war auf alle Fälle sehr prägend und eine der schönsten Zeiten meines Lebens. Das mag kitschig klingen, aber man hat wirklich kennengelernt was es bedeutet glücklich zu sein, weil die Leute brauchen dort wirklich viel weniger dafür. Wenn die lachen, dann macht das einen selber glücklich.
„Was habe ich denn eigentlich verpasst?“
Hast du das Gefühl, dass du durch den Fußball im Leben was verpasst hast?
Nein auf keinen Fall, im Gegenteil. Eher habe ich sehr viele neue Freunde kennengelernt. Der Fußball hat mich über die Jahre geprägt, meine Einstellung geprägt, viele Werte von mir. Und was ich verpasst habe … ja was habe ich denn eigentlich verpasst? Gut, Freunde von mir hatten häufig ein freies Wochenende, aber wenn ich ehrlich bin hatte ich da lieber ein Spiel. Und die Zeit im Ausland konnte ich ja jetzt tatsächlich nachholen und da bin ich sehr froh drüber.
Du bist erst 22 Jahre alt. Greifst du vielleicht doch nochmal an?
(Lacht) Ne, angreifen werde ich nicht. Ich hätt‘s mir eigentlich nach Lüneburg noch zugetraut, weil ich sogar noch Angebote hatte. Vielleicht bin ich ungewöhnlich, aber auf jeden Fall realistisch, es würde zu viel Zeit kosten. Also wenn ich jetzt 22 bin und dann mit 26 noch irgendwo rumdümpel, da hätte ich keine Lust drauf, deshalb auch der Schritt zu studieren. Vielleicht spiel ich nochmal Fußball, aber ich werde auf jeden Fall nicht mehr angreifen.
Abschließende Frage, wenn du Nachwuchsspielern in Leistungszentren einen Rat geben könntest, welcher wäre das?
Puh, das ist eine gute Frage. Ja generell würde ich sagen, niemand sollte sich Druck machen. Macht das was euch Spaß macht und was ihr liebt. Kämpft für eure Träume, das ist so das was alle sagen. Und wer Fußballprofi werden möchte und hart dafür arbeitet, wird auch irgendwann dafür belohnt.
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