
Der französische Liga-Fußball in den 2000er Jahren wird vor allem mit Olympique Lyon in Verbindung gebracht. Zwischen 2002 und 2008 wird man sieben Mal in Folge Meister der heimischen Ligue 1. Im Team sind dabei Legenden wie Torhüter Gregory Coupet, Abwehrchef Cris oder Freistoß-Genie Juninho. An der Seitenlinie Koryphäen wie Paul Le Guen oder Gerard Houllier. Man gehört zum Besten, das Frankreich zu bieten hat und auch international sorgt man in regelmäßigen Abständen für Aufsehen. In dieser Zeit schaffte man es auch immer, junge Talente in die Erfolgsmannschaften zu integrieren. Die bekanntesten Gesichter dürften Sidney Govou, an den sich ältere Fußball Manager Spieler noch erinnern dürften, und natürlich Karim Benzema sein, der seine ersten Sporen bei den Lyonnais verdienen durfte.
Das aktuelle Team reicht zwar nicht an die Erfolgsmannschaften der letzten Dekade heran, präsentiert jedoch ebenfalls zahlreiche junge französische Talente. Während Alexandre Lacazette schon als Star betitelt werden darf, wachsen in seinem Schatten Spieler heran, die bald regelmäßig auf der großen europäischen Bühne zu sehen sein werden. Als Lyon am 11. Dezember des letzten Jahres mit 1:0 über Stade Rennes triumphiert, ist die Fête des Lumières, das jährliche Lichterfest zu Ehren der „Stadt des Lichts“, Lyon, gerade drei Tage vorbei. Die letzte gefährliche Aktion des Spiels gehörte einem gewissen, eingewechselten Maxwel Cornet, der nur knapp an Keeper Costil scheiterte. Es ist jener 20-jährige Cornet, der als Teil der neuen Generation Lyons seit über zwei Jahren auf der linken Außenbahn einen Namen für sich macht. Vor dem heutigen Europa League Spiel gegen den AS Rom werfen wir einen Blick auf den neuen prototypischen Flügelstürmer, der bei großen Vereinen seit Längerem auf dem Zettel ist.
Alle Wege führen nach Lyon
Der Karriereweg des Maxwel Cornet beginnt dabei in der Elfenbeinküste. Er wird dort geboren und verbringt seine ersten drei Lebensjahre im westafrikanischen Staat, ehe es ihn und seine Familie nach Frankreich verschlägt. Dort macht er früh in der Jugend des FC Metz von sich reden. Metz, europaweit für seine herausragende Jugendarbeit bekannt, wird für ihn zur ersten Bühne, auf der er seine fußballerische Ausnahmeklasse zeigen kann. Diese bleibt auch den Auswahltrainern Frankreichs nicht verborgen, die ihn allesamt in die Nationalmannschaften berufen. Cornet gelingt hier Außergewöhnliches: In seinen Debuts für die U16-, U17- und U18-Auswahl kann er jeweils einen Treffer verzeichnen. Seine offensive Ausnahmeklasse war von Beginn an nur schwer zu verstecken.
Nicht umsonst kann er schon als 16-Jähriger auf seinen ersten Einsatz bei den Profis für den FC Metz zurückblicken, die auch dank seiner Hilfe (14 Einsätze) 2014 wieder in die Ligue 1 aufsteigen konnten. Doch der französische Linksaußen darf nicht an der Aufstiegsfeier mitwirken, da er sich weigert, seinen Vertrag vorzeitig zu verlängern. Ein Zwist, der die Fronten verhärtet und letztlich für den Verein suboptimal endet. Im Sommer 2014 schlägt Olympique Lyon zu und sichert sich eines der größten Talente des Landes für schlappe 400.000€. Der ehemalige Branchenprimus kann sein Glück kaum fassen und verordnet seinem hoffnungsvollen Jungstar eine behutsame Heranführung an höhere Aufgaben. Vier Einsätze in seiner ersten Saison, fast ausschließlich als Einwechselspieler, sprechen für sich. Doch in der vergangenen Saison etabliert er sich in der ersten Mannschaft und verdrängt zwischenzeitlich den (damaligen) Nationalspieler Mathieu Valbuena auf der linken Außenbahn.
Wie gemacht für den Flügel
Er kann sich festbeißen und unterstreicht seine Ansprüche, endlich auch der Ligue 1 seinen Stempel aufdrücken zu wollen. Seine 40 Einsätze in der vergangenen Saison, in denen er zwölf Treffer erzielte, hat er bereits im März fast eingestellt. Tendenz steigend. Denn Lyon, rund um Sturmführer Alexandre Lacazette, kann und will nicht mehr auf die Fähigkeiten des 20-jährigen Flügelstürmers verzichten.
Hervorzuheben ist hier zunächst seine ungeheure Geschwindigkeit, die ihm seit Jugendtagen enorme Vorteile auf der Außenbahn verschafft. Bietet sich genug Raum hinter der Abwehrreihe, kann Cornet extrem gefährlich werden. Lange Bälle hinter die Abwehr oder durchgesteckte Bälle in den freien Raum auf der Außenbahn sind die besten Stilmittel, um ihn einzusetzen. Doch auch zögernd angreifende Abwehrspieler bestraft er mit dem Ball am Fuß durch seinen schnellen Antritt und die gute Ballmitnahme. Hier macht sich die Metzer Ausbildung bezahlt, die schon Techniker wie Robert Pires oder Miralem Pjanic hervorgebracht hat.
Doch Cornet lebt nicht ausschließlich von seiner Schnelligkeit. Seine physischen Voraussetzungen, 1,79m und ca. 70kg, die von Club- und Auswahltrainern herausgestellt werden, geben ihm zusätzliche Stabilität in seinen Aktionen. So lässt er sich deutlich schwerer vom Ball trennen und kann den Ball deutlich besser abschirmen. Dazu kommt, dass er als eigentlicher Linksfuß nicht nur auf die linke Seite festgelegt ist, im Gegensatz zu vielen Artgenossen. Zu gerne sucht er den Weg in die Mitte, um seine Beidfüßigkeit für den eigenen Abschluss zu nutzen. Wieder macht sich das ganzheitliche Ausbildungskonzept bezahlt, denn es verschafft Cornet Freiheiten, die für seine Position unersetzlich sind.
Spielerische Defizite und große Konkurrenz
Trotz bester Anlagen gibt es jedoch noch einige Punkte im Spiel des Franzosen, die es zu verbessern gilt. Seine eigentlich hervorragende Technik spiegelt sich nicht in seinem Passspiel wieder, sodass ihm in diesem Bereich zu oft Fehler unterlaufen. Insbesondere bei tiefstehenden Gegnern kann Cornet seine Geschwindigkeitsvorteile nicht ausnutzen und wird zum schwächsten Glied in der (Pass-)Kette. Bei eng verteidigenden Gegenspielern fehlt ihm zusätzlich die letzte Konsequenz im Dribbling, um sich den entscheidenden Vorteil zu verschaffen. Das erklärt auch, warum er seine Dribblings in lediglich 50% der Fälle erfolgreich abschließt, obwohl er die technischen und körperlichen Voraussetzungen mitbringt. Er ist hier noch zu abhängig von großen Abständen zwischen sich und seinen Gegnern und nimmt zu selten den Kopf hoch. Statistisch lassen seine aktuellen Quoten auch zu wünsch übrig, obwohl er so viel Spielzeit wie nie zuvor in seiner Karriere erhält. Seine Torausbeute ist mit sechs wettbewerbsübergreifenden Treffern mehr als ausbaufähig, genau wie seine drei Torvorlagen in allen Wettbewerben.
In der aktuellen Aufstellung ist er durch die Winter-Verpflichtung von Memphis Depay zu einem Wandler zwischen Startelf und Ersatzbank mutiert. Depay beansprucht aktuell zumeist die Linksaußenposition beim siebenmaligen Meister für sich, sodass Cornet auch auf rechts ausweichen muss. Hier konkurriert er mit Nabil Fekir und Rachid Ghezzal um den Platz an der Seite von Lacazette. Cornet kann aber momentan in jedem Fall Kurzeinsätze für sich beanspruchen, die er ohne Ausnahme erhält, wenn er nicht startet. Bedenkt man, dass Lyon noch in mehreren Wettbewerben vertreten ist und als Tabellen-Vierter nach oben schielt, darf man sicher sein, dass der 20-Jährige Einsätze auf höchstem Niveau genießen darf.
Wohin führt der Weg jetzt?
Seine Leistungen und sein immenses Potenzial sind dabei nicht nur den Lyonern aufgefallen, sondern auch der europäischen Konkurrenz. Spätestens seit seinem Sahne-Auftritt gegen AZ Alkmaar in der letzten Euro League Runde schielen die europäischen Scouts nach Frankreich. Während dem FC Barcelona bereits seit Längerem Interesse nachgesagt wird, ist zuletzt auch Jürgen Klopps Liverpool mit Cornet in Verbindung gebracht worden.
Die Frage wird daher sein, welchen Weg das französische Talent einschlagen wird. Kann er Olympique vielleicht ähnlich lange wie Lacazette erhalten bleiben, dessen Wechsel im Sommer überfällig erscheint? Mit einigen Neuverpflichtungen könnte man dann auch die Phalanx der Finanz-Großgewichte aus Paris oder Monaco attackieren. Oder geht er dann doch den Weg des Dembele, der sein Glück in jungen Jahren im Ausland sucht? Den Königsweg gibt es nicht, aber die europäischen Scouts werden heute Abend die Notizblöcke gezückt haben, wenn Lyon im Euro League Leckerbissen auf die Roma trifft. Denn wenn sich Räume ergeben, dann wird Maxwel Cornet nur darauf warten, hineinstoßen zu können. Und wer weiß, vielleicht knöpft er an seine Leistungen der letzten Runde an und sein Knoten platzt endlich. Dann wird ein Wechsel im kommenden Sommer zumindest nicht unwahrscheinlicher. Und wir werden weiterhin von den 2000ern und den Lyoner Legenden träumen müssen.
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