
Interview
Reiner Maurer im Interview: ,,Ein Wechsel nach Europa ist für einen thailändischen Spieler mit großen Nachteilen verbunden.“
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by
Lukas Brandl
Er arbeitete mit Spielern wie Moritz Leitner und Kevin Volland, seit über einem Jahr ist Reiner Maurer aber in Thailand – in der zweiten Liga. Trotz des sportlichen Gefälles fühlt er sich aber sehr wohl bei Ang Thong, wie er im Interview erzählt. Zudem verrät er, welcher Spieler in Thailand auch Qualität für die Bundesliga hätte und spricht über Fehler bei der Talentförderung in Thailand.
Hallo Herr Maurer, mit Ang Thong trainieren Sie seit November 2015 in der zweiten thailändischen Liga. Ist man mit Mitte fünfzig zu alt für den jungen europäischen Trainermarkt oder hatten Sie einfach nur Lust auf Thailand?
Der Trainermarkt ist weltweit umkämpft. In Thailand sind viele brasilianische Trainer, weil auch in erster Linie die Ausländer Brasilianer sind. Ebenso ist die japanische (Trainer-)Mentalität hoch angesehen. Ursprünglich wollte ich in Singapur oder Malaysia Fuß fassen, habe dann im Oktober 2015 das Angebot aus Thailand erhalten.
Was reizt einen sportlich am Fußballzwerg Thailand?
In Asien nimmt Fußball einen immer größeren Stellenwert ein, nicht nur in China.
Wie groß ist das Gefälle, wenn man wie Sie zuvor in der griechischen Super League und auch lange Jahre in der deutschen zweite Liga gecoacht hat? Wie groß ist hier noch einmal der landesinterne Unterschied zwischen erster und zweiter Liga?
Grundsätzlich fehlt zur 2. Bundesliga oder zur griechischen Super League noch einiges. Es gibt aber auch Spieler wie Diogo, den ich noch von Olympiacos Piräus kenne, der auch in der 1. Bundesliga gute Leistungen bringen würde. Zwischen der 2. Tabellenhälfte der 1. Liga und meiner Mannschaft bestehen nur noch finanzielle, keine sportlichen Unterschiede mehr.
Wie kann man sich Strukturen und Trainingsbedingungen in Thailand vorstellen?
Die Strukturen und Trainingsbedingungen verbessern und nähern sich den Europäischen, was aber auch von Verein zu Verein unterschiedlich ist. Der Fitnessbereich von Ang Thong ist beispielsweise besser als der von 1860 München.
Mit dem Begriff ,,Talent“ wird in Deutschland und Europa regelrecht um sich geworfen, Nachwuchsleistungszentren werden immer weiter professionalisiert, der Fokus verstärkt sich laufend. Sie kennen mit dem NLZ von 1860 selbst eines der Besten in Deutschland – wie funktioniert Talentförderung in Thailand?
In Thailand findet ein Umdenken statt. Vereine, die jahrelang ausschließlich in neue Ausländer investiert haben, setzen inzwischen vermehrt auf Jugendarbeit. Allerdings müssten die Jugendlichen bereits früher gefördert werden.
Aktuell berühmtester Spieler thailändischer Nation ist wohl der 28-jährige Teerasil Dangda. In Europa kennt ihn trotzdem kaum einer. Wann wird der erste Thailänder zum Star in Europa?
Der europäische, insbesondere der englische Fußball, genießt in Asien einen sehr hohen Stellenwert. Die thailändische Mentalität unterscheidet sich wesentlich von der europäischen. Die Nationalspieler Thailands genießen eine sehr hohe Wertschätzung in ihrem Land. Auch aufgrund der Mentalität ist ein Wechsel nach Europa mit großen Nachteilen verbunden.
Gibt es in Thailand – womöglich sogar bei Ihnen im Verein – Spieler, von denen Sie sagen: Der kommt mal groß raus? Wenn ja – verraten Sie uns die Namen ihrer Talente?
Da kann ich keine Prognose abgeben.
Sie sind geographisch noch viel näher am chinesischen Fußball-Boom. Was schwappt davon rüber aus dem Land der Mitte?
Vom chinesischen Fußball-Boom überraschen in erster Linie die finanziellen Dimensionen, an denen sich Thailand nicht orientieren kann. In Südostasien ist Thailand qualitativ aber die Nummer Eins.
Fußball als Unterrichtsfach, Millionen in die Nachwuchsförderung: Wann kommen chinesische Talente nach Europa? Sehen Sie in Thailand ähnliches Potential, inwiefern spielen Investoren hier – auch in der zweiten Liga – überhaupt eine Rolle?
Bei 1860 München habe ich bereits 2003 mit dem Chinesen Jiayi Shao gute Erfahrungen gesammelt. Ob es der richtige Weg ist, chinesische Spieler nach Europa zu senden, sei dahin gestellt. Investoren spielen überall, auch in Thailand, eine entscheidende Rolle.
Welchen Spieler aus Europa würden Sie realistisch gesehen gerne bei Ang Thong sehen? Mit Mike Ott haben Sie ja den ersten geholt, dem hierzulande einst eine große Zukunft bescheinigt wurde.
Da die thailändischen Spieler oft körperliche Defizite haben, bevorzuge ich Spieler, die sich in zentralen Positionen aufgrund ihrer Robustheit durchsetzen können. Aufgrund einer neuen Ausländerregelung war es die logische Konsequenz Mike Ott zu holen. Mike spielt für die philippinische Nationalmannschaft und kann deshalb als fünfter Ausländer auflaufen.
Mit ihrer jahrelangen Erfahrung als Trainer: Welche drei Hauptursachen verhindern bei hochtalentierten Spielern die Profikarriere?
In erster Linie muss sich das Talent mit viel Ehrgeiz weiter verbessern. Zudem braucht es die notwendige Förderung des Vereins und der Trainer. Und zu guter Letzt benötigt man auch das Quäntchen Glück als junger Spieler.
Welche Spieler, die Sie in Deutschland und in Griechenland jemals trainiert haben, würden Sie jeweils als das größte Talent bezeichnen?
Die Bezeichnung größtes Talent ist schwierig, weil die Spieler auf unterschiedlichen Positionen eingesetzt wurden. Während meiner ersten Amtszeit hatte ich unter anderen Marcel Schäfer, Christoph Janker, Daniel Baier, Mathias Lehmann, Lukasz Szukala und Lance Davids in meinen Reihen. Alles Spieler, die auf ihren Positionen besondere Qualitätsmerkmale hatten.
In Griechenland hatte ich 2007 Karnezis als Torwart gefördert, er ist immer noch die Nummer Eins in Griechenland.
Während meiner zweiten Amtszeit bei 1860 wurden die Spieler Moritz Leitner und Kevin Volland bereits mit 17, 18 Jahren verkauft. Auch Bobby Wood hatte bereits trotz mehrerer Verletzungen acht Einsätze.
Wie bewerten Sie die aktuelle Situation beim TSV 1860 – in Hinsicht auf Einkaufspolitik und Strukturen?
Die aktuelle Situation unterscheidet sich grundlegend zu früher. Das Budget ist um das Mehrfache gestiegen. Durch die gravierenden Änderungen besteht unter anderem die Gefahr, dass die Verbundenheit zwischen Verein und Fan geringer wird.
Können Sie sich eine Rückkehr in den deutschen Profifußball vorstellen?
Aktuell fühle ich mich in Asien sehr wohl, freue mich auf den Start der Meisterschaft.
Was nehmen Sie als Mensch und Trainer aus Ihren Stationen bei 1860, aber auch und vor allem bei denen in Griechenland und aktuell in Thailand mit?
In erster Linie viel Lebenserfahrung, neue Eindrücke, die mich vor allem als Mensch weiter entwickelt haben.
Abschließend: Welchen Ratschlag würden Sie dem Reiner Maurer am Anfang seiner Trainerkarriere geben?
Ich möchte die Uhr nicht zurückstellen und schaue viel lieber nach vorne.
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Lukas Brandl ist U13-Cheftrainer im NLZ des SV Wacker Burghausen. Der B-Lizenz-Inhaber studiert Bildungswissenschaften und begeistert sich für die Vielschichtigkeit des Fußballs aus Spieler- und Trainerperspektive. Für den dienstältesten Talentkritiker besitzen Individualität und Differenziertheit bei Aspekten der Potentialentfaltung einen hohen Stellenwert.
